Nachdem das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) am 19.12.2019 in Kraft getreten ist, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zügig einen ersten Referentenentwurf für die konkretisierende Rechtsverordnung (DiGAV) vorgelegt und am 20.01.2020 auf der Homepage des BMG veröffentlicht. In der DiGAV wird u.a. festgelegt, welchen Anforderungen medizinische Apps und andere digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) genügen müssen, um in das elektronische DiGA-Verzeichnis des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen zu werden. Klar ist nach dem Inhalt des Referentenentwurfs, dass es deutlich mehr bedarf als einer guten Idee für die Versorgung, um mit der eigenen DiGA gelistet zu werden.
Konkretisiert wird der Inhalt des DiGA-Antrags beim BfArM: Neben der Angabe zur medizinischen Zweckbestimmung, ggf. Benannten Stelle, Gebrauchsanweisung, Ausschlusskriterien für die Nutzung muss der Hersteller u.a. die mit seiner DiGA verbundenen Ziele und positiven Versorgungsaspekte nicht nur mittels Studie nachweisen, sondern konkret bezogen auf die adressierte Patientengruppe und Ärzte - auch im Versorgungskontext und rechtlichen Gefüge – beschreiben.
Die Anforderungen zur Sicherheit und Funktionstauglichkeit kann über die CE-Kennzeichnung der Medizinprodukte erbracht werden. Das BfArM vergewissert sich hier in aller Regel nur der formalen Rechtmäßigkeit, kann jedoch bei begründetem Anlass näher hinsehen.
Die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit sind umfangreich in der DiGAV und in deren Anlage 1 geregelt: Mittels eines 13seitigen Fragebogens werden einzuhaltende Grundsätze des Datenschutzes und der Datensicherheit bzw. spezifische Anforderungen daran beim Hersteller via Eigenerklärung abgefragt.
Weitere Grundanforderungen an die DiGA wie Interoperabilität, Robustheit, Werbefreiheit, Nutzerfreundlichkeit, Qualität der medizinischen Inhalte, Patientensicherheit, Information und Unterstützung der involvierten Leistungserbringer werden in der DiGAV umrissen und durch vom Hersteller zu beantwortende Kontextfragen operabel gemacht. Dazu wird eine Anlage 2 in die DiGAV integriert.
Positive Versorgungseffekte der DiGA können als medizinischer Nutzen oder patientenindividuelle Struktur- und Verfahrensverbesserungen nachgewiesen werden. Dabei ist der positive Versorgungseffekt für eine oder mehrere konkrete Patientengruppe(n) nach dem ICD-10-GM korrelierend mit der medizinprodukterechtlichen Zweckbestimmung zu beschreiben und mittels vergleichender Studie nachzuweisen. Die Studienergebnisse sind im Internet zu veröffentlichen. Das BfArM entscheidet nach Abwägung, ob unter Einbeziehung aller vorgelegten Unterlagen der Nachweis des positiven Versorgungseffekts erbracht ist oder nicht. Liegt noch kein ausreichender Nachweis vor und möchte der Hersteller daher zunächst die vorläufige Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis erreichen, bedarf es mindestens einer Pilotstudie, um den angenommenen Effekt plausibel zu begründen.
Neben Regelungen zum Verfahren beim BfArM zur langfristigen bzw. vorläufigen Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis, der Beratung und den Gebühren sieht die DiGAV auch Vorgaben zum Schiedsverfahren zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Hersteller der DiGA vor, sollte eine Einigung über den Preis ab dem zweiten Jahr im DiGA-Verzeichnis nicht im Verhandlungsweg erreicht werden.
Der Referentenentwurf der DiGAV wird sicher noch überarbeitet werden. Dem BfArM kommt in der Komplettierung des DiGA-Pakets danach ebenfalls noch eine Schlüsselrolle zu: Es soll im Leitfaden die Methoden und Verfahren zum Nachweis positiver Versorgungseffekte und zum wissenschaftlichen Evaluationskonzept bei vorläufiger Aufnahme ins Verzeichnis konkret fassen.
Fazit: Der nächste Schritt ist gemacht. Dass noch eine Reihe von Fragen offen sind, ist nicht anders zu erwarten, denn hier wird etwas Neues gestaltet.
Den Herstellern von DiGA ist zu raten, möglichst hochwertige Studien vorzulegen und zu konzipieren. Nicht nur die Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis, sondern vor allem auch die Vergütung für die DiGA wird vom Maß des verlässlich gezeigten positiven Versorgungseffekts abhängen.
Erste Ergebnisse des vom BMG geförderten Projekts „Wege zu einer besseren Implementierung von digitalen Gesundheitsanwendungen in die Gesundheitsversorgung der GKV“ der TU Berlin unter Mitwirkung von fbeta und D+B bieten hier Orientierung. Die bisherigen Projektergebnisse sind hier veröffentlicht.
Dr. Constanze Püschel