Corona-Gesetze des BMG - das ist wichtig für Praxen und MVZ

In Kraft getreten sind die ersten zwei grundlegenden Gesetzesvorhaben in der Corona-Krise:

- das Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) und

- das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite,

Für den Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes gilt nun folgendes:

 

Corona-Schutzschirm

Nach dem neuen § 87a Absatz 3b SGB V kann die Kassenärztliche Vereinigung eine befristete Ausgleichszahlung an die Praxis/das MVZ leisten, wenn

- sich das Gesamthonorar eines vertragsärztlichen Leistungserbringers um mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal mindert und

- der Grund der Honorarminderung ein Fallzahlrückgang in Folge der Corona-Pandemie ist.

 

Der Schutzschirm ist allerdings je nach KV-Bezirk und Fachgruppe höchst unterschiedlich wirksam, denn er gilt nur für Leistungen, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden. Das sind - grob skizziert

- Leistungen im Rahmen der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses,

- Leistungen und Zuschläge für „TSVG-Leistungen“ (Terminvermittlung durch die Terminservicestellen - TSS-Terminfall/TSS-Akutfall -, Terminvermittlung durch den Hausarzt beim Facharzt, Offene Sprechstunde, Behandlung neuer Patienten)

und vor allem

- (regional verschieden) besonders förderungswürdige Leistungen oder Leistungen mit Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung.

Die Ausgleichszahlung wird mit Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder anderen finanziellen Hilfen (zum Beispiel kurzfristige Liquiditätshilfen für freie Berufe durch Kreditinstitute) verrechnet.

 

Corona-Härtefallregelung im HVM

Nur für die Arztpraxen und MVZ, in denen in Folge der Corona-Krise die Fallzahl in existenzgefährdender Weise sinkt, muss die KV im HVM in Abstimmung mit den Krankenkassen über den Schutzschirm hinausgehende Regelungen zur MVZ- bzw. Praxisrettung treffen (§ 87b Absatz 2a SGB V neu).

Das geltend zu machen wird, das zeigen die Erfahrungen mit Härtefallregelungen der Vergangenheit, eine Herausforderung. Es wird insbesondere auf eine gute Dokumentation der Gründe (z.B. Liste von Patienten-/Terminabsagen, Ausfallzeiten von Mitarbeitern) ankommen.

Wer das bezahlt: Das Gesetz verpflichtet die Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung die zusätzlichen Kosten für außerordentliche Maßnahmen, die zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung während des Bestehens der epidemischen Lage erforderlich sind, zu erstatten. Das aber nicht einschränkungslos, an dieser Stelle wird es absehbar zwischen den Selbstverwaltungs-Partnern Konflikte geben.

 

Heilkundevorbehalt geöffnet

§ 5a Infektionsschutzgesetz gestattet während der Pandemie

- Altenpflegerinnen und Altenpflegern,

- Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Kinderkrankenpflegern,

- Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpflegern,

- Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern und

- Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern.

die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten. Diese dürfen also eigenverantwortlich Maßnahmen durchführen, es muss nicht im Einzelfall delegiert werden.

Individuelle Voraussetzung ist jeweils, dass die in der Ausbildung erworbenen Kompetenzen und persönlichen Fähigkeiten ausreichen.

Dies betrifft Maßnahmen, die eine ärztliche Beteiligung voraussetzen würden, weil sie der Heilkunde zuzurechnen sind, in denen aber der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten nach seiner Art und Schwere eine ärztliche Behandlung im Ausnahmefall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht zwingend erfordert.

Die durchgeführte Maßnahme ist in angemessener Weise zu dokumentieren. Sie soll unverzüglich der verantwortlichen Ärztin oder dem verantwortlichen Arzt oder einer sonstigen die Patientin oder den Patienten behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt mitgeteilt werden.

Beachten Sie bitte: Vorrangig bleibt die ärztliche Veranlassung heilkundlicher Maßnahmen, also die ärztliche Delegation. Dabei sind auch die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Telemedizin) oder vorhandene Behandlungsstandards (SOP) umfangreich zu nutzen, um eine flexible und pragmatische Handhabung der ärztlichen Delegation zu ermöglichen.

 

BMG darf – und wird – weiter flexibilisieren

Das BMG kann zukünftig durch Rechtsverordnung schnell und flexibel handeln:

Zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung u.a. in ambulanten Praxen und MVZ darf es praktisch beliebige Maßnahmen treffen und dabei insbesondere auch Vereinbarungen und Beschlüsse der Selbstverwaltungspartner anpassen, ergänzen oder aussetzen.

Der EBM, der Bundesmantelvertrag Ärzte und Qualitätssicherungsregelungen stehen damit in Bereichen, in denen mehr Flexibilität sinnvoll sein könnte, zur Disposition.

 

Dr. Thomas Willaschek