Das Bundesgesundheitsministerium hat am 13.08.2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Rehabilitation und intensivpflegerischer Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz–RISG) vorgelegt.
Danach wird künftig für die außerklinische Intensivpflege, die insbesondere Beatmungspatienten betrifft, ein gesonderter Leistungsanspruch im SGB V geschaffen (§ 37c SGB V). Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege besteht in vollstationären Pflegeeinrichtungen oder speziellen Wohneinheiten. Diese speziellen Wohneinheiten wären dann nicht mehr nur heimrechtlich (in den Ländern jeweils unterschiedlich gehandhabt), sondern auch sozialversicherungsrechtlich gesondert geregelt. Die außerklinische Intensivpflege im Haushalt oder in der Familie des Versicherten soll die Ausnahme bleiben.
Als Leistungserbringer wird nur derjenige einen Versorgungsauftrag erhalten, der die Einhaltung von gesonderten Rahmenempfehlungen gewährleistet (§ 132i SGB V). Diese Rahmenempfehlungen werden insbesondere:
- personelle Anforderungen,
- Kooperationsverpflichtungen mit dem jeweils verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus sowie mit nichtärztlichen Leistungserbringern,
- Qualitätsvorgaben und
- ein Prüfverfahren
regeln. Die Rahmenvorgaben werden vom GKV-Spitzenverband und den einschlägigen Spitzenorganisationen auf Leistungserbringerseite (sowohl vollstationär als auch ambulant) vereinbart. Die Leistungserbringer müssen zudem Kooperationsvereinbarungen mit spezialisierten Fachärzten schließen. Neben der pflegerischen muss auch die rehabilitative Versorgung sichergestellt sein.
Die Notwendigkeit des Abschlusses eines Versorgungsvertrages zur außerklinischen Intensivpflege soll für stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste gleichermaßen gelten.
Die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege darf künftig nur durch einen besonders qualifizierten Vertragsarzt erfolgen. Bei Versicherten, die kontinuierlich beatmet werden oder tracheotomiert sind, ist vor einer Verordnung das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung zu erheben. Einzelheiten hierzu hat der G-BA zu regeln.
Mit dem Gesetz wird beabsichtigt, die Qualität der außerklinischen Intensivpflege zu verbessern. Zudem werden wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Nach Feststellungen des Bundesgesundheitsministeriums ist die häusliche Betreuung von Intensivpflege-Patienten für das GKV-System bisher mit höheren Kosten verbunden als die Versorgung in einer stationären Pflegeeinrichtung. Ein wesentlicher Grund seien die Zuzahlungsverpflichtungen der Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige in den stationären Pflegeeinrichtungen. Daher entscheiden sich die Betroffenen häufig für die ambulante intensivpflegerische Betreuung. Hierin sieht das Bundesgesundheitsministerium einen Fehlanreiz, der nun beseitigt werden soll. Die Eigenanteile für die außerklinische Intensivpflege in stationären Pflegeeinrichtungen sollen durch das Gesetz reduziert werden.
Die Verbesserung der Versorgungsqualität durch höhere Standards, die Harmonisierung der Vergütungsstrukturen (ambulant/stationär) sowie im Fall von Beatmungspatienten die verpflichtende Eruierung des Entwöhnungspotenzials sind legitime Ziele des Gesetzgebers. Das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten, die nur noch im Ausnahmefall in der eigenen Häuslichkeit versorgt werden können, darf aber nicht aus dem Blick geraten.
Dr. Christian Reuther