Kernelemente des Referentenentwurfs vom 09.01.2019 sind die Einrichtung eines Gemeinsamen Notfallleitsystems (GNS) zur Steuerung der Notfallversorgung, die Etablierung von Integrierten Notfallzentren (INZ) als Versorgungseinheiten an bestimmten Krankenhausstandorten und die Neuaufstellung der Notfallrettung.
Das Wichtigste:
- Gemeinsames Notfallleitsystem (GNS)
In medizinischen Notsituationen wenden sich Patienten an das gemeinsame Notfallleitsystem. Im Telefongespräch wird ein standardisiertes und softwaregestütztes Ersteinschätzungsverfahren durchgegangen.
Auf dieser Grundlage vermittelt das GNS die erforderliche medizinische Versorgung als Weichenstellung an der Sektorengrenze. Die Optionen sind:
- medizinische Notfallrettung
- Krankentransporte zur notdienstlichen Versorgung in ein Krankenhaus, das am System der gestuften Notfallversorgung teilnimmt, bei noch fehlender eindeutiger Indikation in ein INZ
- notdienstliche Versorgung durch den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (auch telemedizinisch)
- reguläre vertragsärztliche Versorgung
Die Beteiligten müssen sich digital vernetzen. Einzelheiten regelt der G-BA. Für die Errichtung von GNS und die digitale Vernetzung stellt die GKV 25 Mio. EURO zur Verfügung.
- erweiterter Sicherstellungsauftrag KVen
Die KVen stellen 24/7 die notdienstliche Versorgung durch den Betrieb der INZ und einen telemedizinischen und aufsuchenden Bereitschaftsdienst sicher.
Die INZ sind die zentralen Anlaufstellen. Sie werden als abgegrenzte Einheiten an ausgewählten Krankenhausstandorten errichtet. Betreiber sind KV und Krankenhausträger gemeinsam, die fachliche Leitung obliegt jedoch allein der KV. Details zur Planung (insb. Anzahl und Standorteigenschaften) kommen vom G-BA. Einrichtung und Betrieb des INZ regeln KV und Krankenhaus vertraglich. Einigen sie sich nicht, gibt es ein Schiedsverfahren.
Die Standorte werden durch den erweiterten Landesausschuss festgelegt (Besetzung: 1/3 KV, 1/3 Krankenhäuser, 1/3 Krankenkassen) und nicht durch die Krankenhausplanungsbehörde. Entschieden wird mit einfacher Mehrheit, aber: die Stimmen der Kostenträger zählen doppelt.
Kommt der Patient ins INZ, wird eine weitere standardisierte Ersteinschätzung durchgeführt (Einzelheiten regelt der G-BA). Der INZ-Arzt entscheidet dann, wie es mit dem Fall weiter geht.
Die Krankenkassen vergüten die Leistungen (außerhalb der Gesamtvergütung) durch eine fallzahlunabhängige Grundpauschale sowie differenzierte Fallpauschalen.
Krankenhausstandorte ohne INZ müssen ihre Notfallambulanzen zwar nicht schließen, die Vergütung wird aber um 50% gekürzt.
- Rettungsdienst eigenständige Leistung im GKV-System
Im SGB V wird gesonderter Anspruch auf medizinische Notfallrettung geschaffen. Die Versorgung am Notfallort und die Rettungsfahrt werden künftig unabhängig voneinander durch Pauschalen vergütet.
Was ist von dem Entwurf zu halten?
Die Meinungen gehen auseinander. Die KBV äußert sich positiv: „Viele richtige Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Notfallversorgung“. Ganz anders die DKG: „Der Referentenentwurf ist ein Affront für die deutschen Krankenhäuser.“
Das hat Gründe: An welchen Standorten die INZ entstehen, bestimmen maßgeblich die KVen. Auch die fachliche Leitung der INZ steht den KVen zu. Die Zusammenarbeit ist eine Herausforderung. Im ersten Schritt müssen Kooperationsverträge zwischen KV und Krankenhaus auf Augenhöhe ohne Schiedsverfahren geschlossen werden.
Für Krankenhäuser werden INZ ein wichtiges Tor für die Aufnahme stationärer Patienten sein und damit ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Ob Patienten zukünftig weniger die Notfallambulanzen der Krankenhäuser ohne INZ selbst aufsuchen, um sich dort – außerhalb der üblichen vertragsärztlichen Versorgung – durch Krankenhausärzte behandeln zu lassen, ist keineswegs ausgemacht. Sicher ist nur, dass sich die Vergütung halbieren wird.
Das Gesetzgebungsverfahren steht am Anfang. Wir durchdenken gerne mit Ihnen gemeinsam, wie sich Ihr Haus in der reformierten Notfallversorgung optimal positioniert – ob mit der ohne INZ. Unabhängig davon halten wir Sie auf dem Laufenden.
Dr. Christian Reuther