Mit dem Referentenentwurf vom 23.10.2020 zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung nimmt der Gesetzgeber einen neuen Anlauf, die ambulante Notfallversorgung zu reformieren. Der neue Referentenentwurf sieht – neben weiteren Regelungsbereichen – eine Weiterentwicklung der Regelungen zu ambulanten Notfallstrukturen vor, die von dem ursprünglich vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung deutlich abweichen (vgl. dazu unsere News-Mitteilung vom 24.01.2020). Mit dem neuen Referentenentwurf beabsichtigt der Gesetzgeber, die Patientensteuerung in der ambulanten Notfallversorgung zu verbessern. Hierzu soll ein standardisiertes und bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren für die ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus eingeführt werden. Zudem soll der Zugang zur Terminvermittlung durch die Terminservicestellen nach Vorstellung in der Notfallambulanz durch Wegfall des Überweisungserfordernisses erleichtert werden. Schließlich sollen die Terminservicestellen verpflichtet werden, kurzfristige ärztliche Telefonkonsultationen zu gewährleisten.

Das Wichtigste:

- Ersteinschätzungsverfahren in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser

Nach dem Gesetzentwurf soll die Vergütung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser neu geregelt werden. Eine Vergütung soll demnach künftig nur dann erfolgen, wenn zuvor in einem gesonderten Ersteinschätzungsverfahrens die sofortige ambulante Behandlungsnotwendigkeit festgestellt wurde. Die Einzelheiten über das Ersteinschätzungsverfahren sollen von der KBV im Benehmen mit der DKG und dem GKV-Spitzenverbund aufgestellt werden. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber vermeiden, dass Patientinnen und Patienten die Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser binden, obwohl kein medizinischer Notfall vorliegt und somit die vertragsärztliche Versorgung die sachgerechte Versorgungsebene darstellt.

- Wegfall des Überweisungserfordernisses nach Durchführung des Ersteinschätzungsverfahrens

Patientinnen und Patienten, bei denen sich im Rahmen des Ersteinschätzungsverfahrens im Krankenhaus herausgestellt hat, dass zwar ein ambulanter medizinischer Behandlungsbedarf besteht, nicht aber ein Notfall im Sinne von § 76 Absatz 1 Satz 2 vorliegt, der eine sofortige Behandlung erfordert, soll künftig das Überweisungserfordernis zum Facharzt entfallen.

- Ärztliche Telekonsultationen

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019 (BGBl I 2019, Nr. 18 S.646) wurde den Terminservicestellen die Aufgabe zugewiesen, den Versicherten  in Akutfällen auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen, standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens eine unmittelbare ärztliche Versorgung in der medizinisch gebotenen Versorgungsebene zu vermitteln (§ 75 Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 SGB V). Diese Regelung soll nun dahingehend ergänzt werden, dass die Terminservicestellen auch verpflichtet sind, kurzfristige ärztliche Telefonkonsultationen zu gewährleisten.

Was ist von dem Entwurf zu halten?

Die DKG hat den neuen Referentenentwurf – wie auch schon den Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung – kritisiert: Der neue Gesetzentwurf wird als Eingriff in die Organisationshoheit der Krankenhäuser gewertet.

Das hat Gründe: An der Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZ) wird – wie in dem Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung noch vorgesehen – zwar nicht mehr festgehalten. Allerdings haben die KVen nach dem neuen Gesetzgebungsvorschlag weiterhin einen großen Einfluss darauf, welche Patienten künftig im Krankenhaus behandelt werden sollen. Denn die Einzelheiten über das Ersteinschätzungsverfahren werden von der KBV aufgestellt, auch wenn dies im Benehmen mit der DKG und dem GKV-Spitzenverband geschehen soll.

Das Gesetzgebungsverfahren steht am Anfang. Wir durchdenken gerne mit Ihnen gemeinsam, wie sich Ihr Haus in der reformierten Notfallversorgung optimal positioniert. Unabhängig davon halten wir Sie auf dem Laufenden.

 

Nicole Jesche / Dr. Christian Reuther