Der Praxisverkauf an einen Investor

Viele ärztliche Abgeberinnen und Abgeber schätzen Investoren und ihre MVZ als Käufer, insbesondere für größere Praxen. Die Gründe sind vielfältig: deutlich höhere Verkaufserlöse gegenüber Existenzgründern aufgrund anderer Arithmetik, Professionalität in den Verhandlungen, keine geeigneten ärztlichen Praxisnachfolger und andere Gründe. Allerdings sind diese MVZ unserem Gesundheitsminister ein Dorn im Auge. Der Praxisverkauf an Investoren dürfte durch den Gesetzgeber daher absehbar erschwert oder unmöglich gemacht werden. Wer einen Verkauf erwägt, sollte also aktiv werden.

So läuft das „normalerweise“ ab:
Zumeist nehmen Sie als Abgeber Kontakt zu einem oder – sinnvoll – mehreren potentiellen Käufern auf. Wahrscheinlich haben Sie selbst die erforderliche Marktkenntnis. Wenn Sie bereits „auf dem Radar“ sind, kommen die „Corporate Development“-Spezialisten auch auf Sie zu. Alles beginnt mit der Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung. Nach einem Kennenlernen der Praxis unter Vorlage einiger betriebswirtschaftlicher Eckdaten laufen die Verhandlungen an und es wird meist schnell eine Absichtserklärung (sog. Term Sheet oder letter of intent) vorgelegt. Diese kann mehr oder weniger ausführlich sein, regelmäßig finden sich dort ein Kaufpreis, eine Kalkulationsgrundlage und eine Exklusivitätsklausel. Aber Achtung: Verbindlich ist allein die Exklusivitätsklausel. Alle weiteren Regelungen sind weiterhin verhandelbar, auch der Kaufpreis. Deshalb der Rat: Unterschreiben Sie nicht vorschnell, um den vermeintlichen guten Preis zu sichern, denn Sie binden sich so mindestens für mehrere Monate an einen potentiellen Käufer.

Die Käuferseite suggeriert in diesem Stadium der Verhandlungen gerne, dass Sie am Anfang noch keinen Anwalt brauchen. Denken Sie sich Ihren Teil, Sie wissen es nun besser. Daneben noch…

…vier weitere Gründe, Ihren Anwalt schon ganz am Anfang hinzuzuziehen: 
• Investoren sind Profi-Verhandler. Sie nicht. Sorgen Sie für „gleichlange Spieße“.
• Einen Anwalt brauchen Sie sowieso später für die Vertragsgestaltung (einen Berater nicht).
• Verhandlungstaktisch sind zwei Ebenen immer besser als eine.
• Und nicht zuletzt: Am Anfang geht es ums große Ganze (und ums Geld). Später um die Details. Eingangs gemachte Zugeständnisse lassen sich später nur schwer zurücknehmen.

Häufig unterschätzt: die due diligence
Ist das Term Sheet unterschrieben, folgt im nächsten Schritt eine oft detailtiefe Unternehmensprüfung (sog. due diligence). Mit der due diligence spüren Käufer (pot.) Risiken auf und bewerten diese. Große Risiken können dazu führen, dass die Transaktion abgebrochen wird, kleinere Risiken und andere Auffälligkeiten können Einfluss auf den angebotenen Kaufpreis haben, wenn sich durch sie die Kalkulationsgrundlage aus dem Term Sheet ändert.

Wenn Sie einen fixen Kaufpreis erlösen wollen, müssen Sie entweder im Vorfeld der Verhandlungen sicherstellen, dass keine Risiken aufgefunden werden (selbstkritisches Hinterfragen oder, besser noch, eine kleine Verkäufer-due diligence durchführen) oder selbst nach Auffinden hart bleiben. Letztlich ist alles Verhandlungssache.

In diesem Stadium brauchen Sie: Zeit, Geduld, Ihren Steuerberater, Ihren Anwalt. Das Ganze kann, weil nicht selten hunderte Dokumente angefordert werden, recht aufwändig werden. Schaffen Sie also Freiräume im Bestellbuch, oder noch besser: Seien Sie vorbereitet.

Verträge sind der Dreh- und Angelpunkt
Parallel zur due diligence werden die Verträge entworfen, früher häufig zweisprachig deutsch-englisch, heute meist nur noch deutsch, trotzdem komplex. Entscheidend ist das Übernahmekonzept: Wird nur auf die Zulassung verzichtet, um sich im MVZ anstellen zu lassen, dann dreht sich alles um den Praxiskaufvertrag und die Anstellungsverträge. Deren Kernthemen sind meist zulassungsrechtliche oder Besonderheiten bei der Auszahlung des Kaufpreises, z.B. in Tranchen und unter ausgehandelten Bedingungen. Möchten Sie darüber hinaus an der entstehenden MVZ-GmbH (rück-)beteiligt werden, sind auch die Regelungen zur Beteiligung, also die Satzung und etwaige Gesellschaftervereinbarungen äußerst relevant. Gefragt ist hier juristisches wie steuerliches Spezialistentum und zuletzt professionelle Erfahrung.

In aller Regel wird schon aus taktischen Gründen verhandelt bis kurz vorm Termin zur Vertragsunterzeichnung (sog. Signing); wann dieser ist, bestimmt sich oft nach den Antragsfristen bzw. Sitzungsterminen des Zulassungsausschusses. Parallel müssen also die zulassungsrechtlichen Verfahren eingeleitet und begleitet werden. Liest sich, wie es ist: dynamisch.

Klappt alles, ist der Tag der eigentlichen Praxisübergabe (sog. Closing) nur noch Formsache, natürlich mit Protokoll, aber vor allem fließt der Kaufpreis. Dann hat sich der Aufwand gelohnt, da sind sich alle Abgeber einig. Und wenn alles rechtzeitig angestoßen wird, ist es egal, ob Herr Prof. Dr. Lauterbach es nun schätzt oder nicht…