Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die „nötigen Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ auf den Weg zu bringen. Dazu hat die Ampel-Koalition im Mai 2022 eine „Regierungskommission Krankenhaus“ eingesetzt, die in mehreren Stellungnahmen Empfehlungen für eine neue Vergütungs- und Planungsstruktur erarbeitet hat. Die Vorschläge wurden seit Anfang des Jahres von einer Bund-Länder Arbeitsgruppe in gemeinsamen Sitzungen diskutiert und weiter konkretisiert. Dabei zeigten sich auch Streitpunkte zwischen Bund und Ländern. Insbesondere wollen sich die Länder von dem Bund keine Vorgaben bei der Krankenhausplanung machen lassen, die in die Zuständigkeit der Länder fällt.
Am 10.07.2023 haben sich Bund und Länder auf Grundstrukturen einer Krankenhausreform geeinigt, die in einem Eckpunktepapier zusammengefasst sind. Auf dieser Grundlage soll über den Sommer ein Referentenentwurf unter der Federführung des BMG erarbeitet werden. Als Zeitplan ist vorgesehen, dass die Reform im Januar 2024 in Kraft treten soll (vgl. 2.7 Eckpunktepapier).
Das Eckpunktepapier sieht folgende Kerninhalte vor:
- Bisher werden die Vorhaltekosten der Krankenhäuser im Rahmen von (mengenorientierten) Fallpauschalen (DRGs) finanziert. Daneben erhalten Krankenhäuser für die pflegerischen Leistungen ein Pflegebudget. Das System der Fallpauschalen führte jedoch aus Sicht des Gesetzgebers zu Fehlanreizen dahingehend, dass Krankenhäuser auf möglichst hohe Fallzahlen angewiesen waren, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern. Dieser ökonomische Druck soll den Krankenhäusern nun genommen werden.
- Das System der Krankenhausfinanzierung wird umgestaltet und um eine dritte Säule ergänzt: Neben dem (unverändert fortbestehenden) Pflegebudget wird es künftig eine (abgesenkte) Fallpauschale sowie eine Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen geben, die von der Leistungserbringung unabhängig ist. Krankenhäuser erhalten mit der Vorhaltevergütung eine Vergütung dafür, dass sie sie bestimmte Leistungen (Leistungsgruppen) anbieten, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen.
- Die Mittel für die Zahlung der Vorhaltevergütung stammen aus dem bestehenden Erlösvolumen. Hierfür werden die Mittel aus den bestehenden Fallpauschalen ausgegliedert, d.h. die Fallpauschalen werden abgesenkt (vgl. 2.3 Eckpunktepapier). In einer Übergangsphase wird die Absenkung der Fallpauschalen pauschal um einen gesetzlich vorgegebenen, zunächst einheitlichen Vorhalteanteil in Höhe von durchschnittlich 60 Prozent der DRG-Vergütung erfolgen.
- Voraussetzung für einen Anspruch auf die Vorhaltevergütung ist, dass dem Krankenhaus von der zuständigen Planungsbehörde der Länder eine Leistungsgruppe zugewiesen wurde und grundsätzlich die Qualitätskriterien der Leistungsgruppe erfüllt sind (vgl. 2.8 Eckpunktepapier). Die Zuweisung zu einer Leistungsgruppe erfolgt durch die zuständige Landesbehörde per (Feststellungs-)Bescheid (vgl. 3.4 Eckpunktepapier). Zu den Qualitätskriterien einer Leistungsgruppe zählt auch die Festlegung von verwandten Leistungsgruppen, die ebenfalls an demselben Krankenhausstandort zu erbringen sind (vgl. 3.1 Eckpunktepapier). Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass die Definition der Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien gemeinsam in der Form einer zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnung festgelegt werden (vgl. 3.2 Eckpunktepapier). Es werden nur somatische Leistungsgruppen definiert. Für die erstmalige Definition der Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien soll auf das NRW-Modell zurückgegriffen werden. Der Krankenhausplan in NRW sieht in der somatischen Versorgung insgesamt 60 Leistungsgruppen vor. Darüber hinaus sollen noch fünf ergänzende Leistungsgruppen hinzukommen (Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin und spezielle Kinder- und Jugendchirurgie).
- Eine weitere Neuerung ist die Einführung von sektorenübergreifenden Versorgern, die als „Level li-Krankenhäuser“ bezeichnet werden (vgl. 4. Eckpunktepapier). Nach der Vorstellung von Bund und Ländern sollen die sektorenübergreifenden Versorger insbesondere durch die Umwandlung bisheriger Krankenhäuser entstehen, können sich aber auch aus ambulanten Versorgungsmodellen heraus entwickeln (vgl. 5.1 Eckpunktepapier). Die Versorger sollen (in einem eingeschränkten Umfang) stationäre und ambulante Leistungen übernehmen (vgl. 5.4 Eckpunktepapier) und so zur Brücke zwischen der ambulanten und stationären Versorgung werden (vgl. 5.1 Eckpunktepapier).
Dr. Christian Reuther, Nicole Jesche