Am 16. August 2019 ist das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom 9. August 2019 in Kraft getreten. Die wichtigsten Regelungen des GSAV im Überblick:
Das e-Rezept kommt
Mit § 86 SGB V n.F. und § 129 Abs. 4a SGB V n.F. werden die KBV und der DAV verpflichtet, bis zum 31. März 2020 mit dem GKV-Spitzenverband die notwendigen Regelungen für die Verwendung von e-Rezepten und die Nutzung der Telematikinfrastruktur für deren Übermittlung zu schaffen. Die Gesellschaft für Telematik (gematik) hat bis zum 30. Juni 2020 die Maßnahmen durchzuführen, die erforderlich sind, damit ärztliche Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel in elektronischer Form übermittelt werden können, § 291a Abs. 5d SGB V n.F.
Das Fernverordnungsverbot fällt
Apotheken können verschreibungspflichtige Arzneimittel nun auch nach einer offensichtlichen ausschließlichen Fernbehandlung abgeben. Mit dieser Reaktion auf die Streichung des ärztlichen Fernbehandlungsverbotes schafft der Gesetzgeber das sogenannte Fernverordnungsverbot (§ 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 AMG a.F.) ab.
Neuregelungen der Hämophilie-Versorgung zum 15.08.2020
Für Arzneimittel zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Hämophilie wird die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg zurückgenommen, d.h. der Direktvertrieb der Hersteller an Ärzte und Krankenhäuser ist nur noch übergangsweise gestattet. Ärztliche Einrichtungen, die auf die Behandlung von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie spezialisiert sind, dürfen dann nur noch einen Notfallvorrat an Hämophilie-Präparaten bereithalten und durch hämostaseologisch qualifizierte Ärzte an Patienten oder Einrichtungen der Krankenversorgung abgeben, § 43 Abs. 3a AMG n.F. Zur Organisation des Notfallvorrates und zur unmittelbaren Abgabe der Hämophilie-Produkte an den anwendenden Arzt sind abweichend von § 11 Abs. 1 ApoG Absprachen zwischen Apotheken und ärztlichen Einrichtungen erlaubt, § 11 Abs. 2a ApoG n.F. Die Neuregelungen treten am 15.08.2020 in Kraft.
Behördliche Überwachung des Arzneimittelverkehrs und der Apotheken verstärkt
Die in § 64 AMG geregelte behördliche Überwachung des Arzneimittelverkehrs und der Apotheken wird ausgeweitet.
In § 64 Abs. 3 Satz 4 AMG werden Regelbeispiele für Fälle, in denen unangemeldete Inspektionen der zuständigen Behörde im Sinne von § 64 Abs. 3 Satz 2 AMG erforderlich sind, definiert. Danach sind unangemeldete Inspektionen „insbesondere erforderlich 1. bei Verdacht von Arzneimittel- oder Wirkstofffälschungen, 2. bei Hinweis auf schwerwiegende Mängel von Arzneimitteln oder Wirkstoffen sowie 3. in angemessenen Zeitabständen im Rahmen der Überwachung der Arzneimittelherstellung nach § 35 der Apothekenbetriebsordnung und der Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung für Apotheken“.
Gemäß § 64 Abs. 3a AMG sind nun auch Apotheken, die Arzneimittel nach § 35 der Apothekenbetriebsordnung (Arzneimittel zur parenteralen Anwendung) herstellen, in der Regel alle zwei Jahre nach § 64 Absatz 3 AMG zu überprüfen.
§ 64 Abs. 4 Nr. 2 AMG wird um das Einsichtnahmerecht der mit der Überwachung beauftragten Personen in Abrechnungsunterlagen ausgeweitet und auch auf Wirkstoffe und andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe ergänzt, um einen Abgleich zwischen Warenein- und -ausgang auch der Arzneimittelzubereitungen zu ermöglichen.
Erweiterte Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln
Gemäß dem neuen 2. Halbsatz in § 14 Abs. 1 Satz 3 ApBetrO sind bei patientenindividuell hergestellten parenteralen Zubereitungen neben der Bezeichnung des Fertigarzneimittels, der Chargenbezeichnung und des Namens des pharmazeutischen Unternehmers nunmehr auch die Wirkstoffe nach Art und Menge und sonstigen Bestandteile nach der Art auf dem Behältnis, also z.B. auf dem Infusionsbeutel oder der Spritze, und – soweit verwendet – auf der äußeren Umhüllung anzugeben.
Austauschbarkeit von Biosimilars ab 16.08.2022
Im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel, für die der G-BA eine Austauschbarkeit in Bezug auf ein biologisches Referenzarzneimittel festgestellt hat, sollen künftig den gleichen Austauschregeln wie Generika unterliegen. Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und Zytostatika werden wegen der besonderen Anforderungen insbesondere an die Lagerung und den Transport (die Qualität und Wirksamkeit dieser Arzneimittel wird aufgrund höherer Transportrisiken bei langen Lieferwegen als gefährdet angesehen) von der Austauschregelung ausgenommen. Da der G-BA zur Austauschbarkeit bei Biosimilars erst noch konkrete Entscheidungen in der Arzneimittel-Richtlinie treffen muss, treten die Regelungen zum Biosimilaraustausch in der Apotheke erst zum 16. August 2022 in Kraft.
Neuregelung bei der Versorgung mit Cannabisblüten oder Extrakten
Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB V ist bei der Versorgung mit Cannabisblüten oder Extrakten nach einmal erfolgter Genehmigung kein erneuter Antrag bei der Krankenkasse im Falle einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte oder des Extrakts mehr notwendig.
Dr. Constanze Püschel / Christiane Müller