Krankenkassen müssen bei Ausschreibungen zu Rabattverträgen Anwendungspatente der pharmazeutischen Unternehmen wahren – aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf

Für die Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA haben wir vor dem Vergabesenat des OLG Düsseldorf am 21. April 2021 einen Beschluss erwirkt, der dazu führt, dass Krankenkassen Anwendungspatente der pharmazeutischen Unternehmen schon bei der Gestaltung der Ausschreibung zwingend beachten müssen (VII-Verg 1/20).

Schon 2016 hatte das OLG Düsseldorf die Krankenkassen verpflichtet, patentverletzende Substitutionen im Kontext von Rabattverträgen zu unterbinden, indem Vertragsärzte angehalten werden, Aut-idem-Kreuze in der jeweils unter Patentschutz fallenden Indikation zu setzen.

Das Oberlandesgericht geht nun noch einen Schritt weiter: Die antragsgegnerische Krankenkasse hat sich zwar verpflichtet, die Ärzte mittels wiederkehrenden Informationsschreiben zum Setzen des Aut-idem-Kreuzes anzuhalten. Das genügt jedoch nicht. Sie muss darüber hinaus auch eine indikationsgerechte, patentwahrende Abrechnung der von ihr verlangten Rabatte sicherstellen.

Konkret: Die Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln, die unter ein Anwendungspatent fallen, müssen von den Krankenkassen im Rahmen des Ausschreibungszuschnitts von Generikarabattverträgen ausgenommen werden. Diese Arzneimittelabgaben dürfen aber auch nicht „aus Versehen“ mit Rabatten belegt werden, wenn sich der Anwendungspatentinhaber an der Generikaausschreibung der Krankenkasse beteiligt. Die Krankenkasse hat zum Schutz des Anwendungspatentinhabers vielmehr von vornherein eine indikationsgerechte Abrechnung der Rabatte sicherzustellen, die ihr aus datenschutzrechtlichen Gründen möglich und im Übrigen auch zumutbar ist.

Vergaberechtlich gebieten das der Rechtsgedanke von Treu und Glauben und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Anwendungspatentinhaber muss Kalkulationsrisiken aus dem Fehlen einer patentgerechten Rabattabrechnung nicht schultern oder gar in seinen Angebotspreis einpreisen, wie es noch die 1. Vergabekammer des Bundes, deren Entscheidung nun aufgehoben wurde, gesehen hatte. Vielmehr obliegt es der Krankenkasse, das ihr Mögliche und Zumutbare zu tun, um auch auf der Abrechnungsebene das verfassungsrechtlich geschützte Anwendungspatent zu wahren.

Die Entscheidung hat nicht nur Relevanz für im Vergabeverfahren ausgeschriebene Rabattverträge. Sie wird ebenso auf Open-House-Konstellationen durchschlagen. Denn auch dort verletzt die Krankenkasse die ihr im Rahmen der Vertragsanbahnung obliegenden Pflichten, wenn sie in Kauf nimmt, dass nicht vom Open-House-Vertragszuschnitt erfasste Arzneimittelabgaben durch die Hintertür doch mit Rabatten belegt werden.

Dr. Constanze Püschel