Das Europäische Parlament hat am 17. April 2020 beschlossen, den Geltungsbeginn der MDR um ein Jahr zu verschieben. Neuer Geltungsbeginn ist der 26. Mai 2021.
Die Verordnung (EU) 2020/561 vom 23. April 2020 ist mit Verkündung im europäischen Amtsblatt am 24. April 2020 in Kraft getreten. Hintergrund war die Erkenntnis, dass „angesichts der beispiellosen Dimension der gegenwärtigen Herausforderungen und aufgrund der Komplexität der Verordnung (EU) 2017/745 (…) die Mitgliedstaaten, Gesundheitseinrichtungen, Wirtschaftsakteure und andere betroffene Parteien höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein (werden), die ordnungsgemäße Durchführung und Anwendung dieser Verordnung zum in ihr festgelegten Geltungsbeginn am 26. Mai 2020 sicherzustellen“.
Was bedeutet das für Hersteller?
- Die MDD wird nochmal wichtig: Die unter MDD Benannten Stellen bleiben ein weiteres Jahr benannt. Hersteller können ihre Medizinprodukte noch ein weiteres Jahr unter MDD-Bedingungen zertifizieren lassen.
- Die Übergangsperiode endet (weiterhin) 2024: Während der Übergangsperiode bis zum 26. Mai 2024 können Medizinprodukte mit Zertifizierungen nach MDD weiterhin in den Verkehr gebracht werden. Die MDD-Zertifikate verlieren erst mit Ablauf der Übergangsfrist ihre Gültigkeit. Entgegen Forderungen u.a. des BVMed wurde die Übergangsperiode nicht verlängert. Faktisch verkürzt sich mit Verschiebung des Geltungsbeginns die Übergangsperiode von vier auf drei Jahre. Hersteller sollten im Blick behalten, dass sich im Mai 2024 Engpässe bei den Benannten Stellen ergeben könnten.
- Neu-Zertifzierungen nach MDR bleiben schwierig: Aktuell finden wegen der COVID-19-Pandemie keine Neu-Zertifzierungen nach MDR statt. Es fehlt an Vorgaben für Remote-Audits für Neu-Zertifizierungen sowie Zertifizierungen zu Zweckerweiterungen. Kapazitätsprobleme bei der Neu-Zertifizierung von Produkten bis zum Stichtag im Mai 2021 sind zu erwarten, da sich die Benannten Stellen in der COVID-19-Zeit ersichtlich auf die Verlängerung von Altzertifikaten fokussieren.
Chance für DiGAs und Digital Health Anbieter?
Eine unverhoffte Chance könnte sich insbesondere für die Digital-Health-Anbieter bieten, die ein Produkt als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) im DiGA-Verzeichnis beim BfArM listen lassen wollen und noch keine Zertifizierung nach MDR haben. Diese erhalten nun ebenfalls ein Jahr Aufschub.
Hersteller können nunmehr noch für ein weiteres Jahr die (u.U. günstigeren) Klassifizierungsregelungen der MDD nutzen und eine Zertifizierung der DiGA als Medizinprodukt der Klasse I anstreben. Die Einschaltung einer Benannten Stelle ist sodann nicht erforderlich. Das mag den „Fast-Track“ des BMG noch ein wenig schneller machen.
Mehr zu DiGAs hier. Und den aktuellen Leitfaden des BfArM finden Sie hier.
Dr. Thomas Willaschek, Ricarda Essel