Reform der außerklinischen Intensivpflege – aus RISG wird IPReG

Im August 2019 hatte das BMG den ersten Entwurf eines Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetzes-RISG vorgelegt. Dieses sah die Schaffung eines gesonderten Leistungsanspruchs für außerklinische Intensivpflege im SGB V vor. Dieser Anspruch sei entweder in stationären Pflegeeinrichtungen oder speziellen Wohneinheiten zu erfüllen. Die Intensivpflege in der Häuslichkeit sollte die Ausnahme bleiben. Insbesondere Betroffenenverbände kritisierten an diesem Ansatz, dass dem Selbstbestimmungsrecht der Versicherten nicht hinreichend Rechnung getragen werde und damit die UN-Behindertenkonvention verletze.

Das BMG hat auf die vehemente und öffentlichkeitswirksame Kritik regiert und verfolgt mit dem am 12. Februar 2020 beschlossenen Entwurf des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG) einen veränderten Ansatz. Es bleibt zwar bei dem eigenständigen Leistungsanspruch für die außerklinische Intensivpflege im SGB V, die insbesondere Beatmungspatienten betrifft. Die außerklinische Intensivpflege wird danach in vollstationären Pflegeeinrichtungen, in Intensivpflege-Wohneinheiten oder in der eigenen Häuslichkeit oder sonst an einem geeigneten Ort erbracht. Bei der Leistungsentscheidung der Krankenkasse ist aber weiterhin den Wünschen der Leistungsberechtigten hinsichtlich des Orts der Leistung Rechnung zu tragen, soweit sie angemessen sind und die medizinisch-pflegerische Versorgung am gewünschten Leistungsort sichergestellt ist. Die Pflege in der eigenen Häuslichkeit bleibt damit umfassender als noch im RISG-Entwurf vorgesehen möglich. Die Entscheidung über den Ort der Leistungserbringung trifft die Krankenkasse nach Begutachtung durch den MDK. Das stößt bei Betroffenenverbänden weiterhin auf Kritik.

Entscheidet sich der Patient bzw. entscheiden sich dessen Angehörige/ Betreuer für eine Versorgung in einer stationären Pflegeeinrichtung, so sollen damit keine Mehrausgaben für den Versicherten verbunden sein. Der Anspruch auf außerklinische Intensivpflege wird dann bei Leistungserbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung insbesondere auch die – sonst vom Pflegebedürftigen zu tragenden – Entgelte Unterkunft und Verpflegung erfassen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich bisher viele Versicherte gerade wegen dieser Kosten gegen eine Versorgung in der stationären Pflegeeinrichtung und für eine Versorgung in der Häuslichkeit, die mit deutlich größeren Kosten für die GKV verbunden sind, entschieden haben.

Verschärfte Anforderungen an Leistungserbringer soll es auch nach dem GKV-IPReG geben. Einen Versorgungsauftrag wird nur erhalten, der die Einhaltung von gesonderten Rahmenempfehlungen gewährleistet (§ 132j SGB V). Diese Rahmenempfehlungen werden insbesondere:

- personelle Anforderungen

- strukturelle Vorgaben für Wohneinheiten einschl. baulicher Qualitätsanforderungen

- Vorgaben zur Qualitätssicherung

- Vergütungsgrundsätze

- Kooperationsverpflichtungen mit dem jeweils verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus sowie mit nicht-ärztlichen Leistungserbringern

- Qualitätsvorgaben und

- ein Prüfverfahren

regeln. Die Rahmenvorgaben werden vom GKV-Spitzenverband und den einschlägigen Spitzenorganisationen auf Leistungserbringerseite (sowohl vollstationär als auch ambulant) vereinbart.

Die Notwendigkeit des Abschlusses eines Versorgungsvertrages zur außerklinischen Intensivpflege soll für stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste gleichermaßen gelten.

Die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege darf künftig nur durch einen besonders qualifizierten Vertragsarzt erfolgen. Bei Versicherten, die kontinuierlich beatmet werden oder tracheotomiert sind, ist vor einer Verordnung das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung zu erheben. Einzelheiten hierzu hat der G-BA zu regeln.

Der GKV-Spitzenverband und das BMG werden u.a. die Entwicklung der Leistungsfälle, die Leistungsdauer, den Leistungsort evaluieren (§ 37c Abs. 5 SGB V).

Neben der Intensivpflege sieht der Gesetzentwurf Änderungen im Recht der Rehabilitation vor. So wird etwa die medizinische Erforderlichkeit einer vertragsärztlich verordneten geriatrischen Rehabilitation von der Krankenkasse nicht mehr vorab genehmigt (§ 40 SGB V), soweit der verordnende Vertragsarzt die Leistungsvoraussetzungen durch geeignete Instrumente überprüft hat. Die Erforderlichkeits- bzw. Bedarfsprüfung der Kostenträger entfällt damit. Das ist eine Verbesserung für die Patienten und Leistungserbringer, weil damit der Zugang zur Leistung beschleunigt wird.

Dr. Christian Reuther