In den kommenden Wochen wird D+B den Entwurf des KHVVG mit seinen umfassenden Änderungen im Bereich des SGB V, KHEntgG und KHG im Detail vorstellen. Wir beginnen unsere Reihe mit einem Gesamtüberblick.
A. Überblick
Am 15.05.2024 billigte das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen – Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG, Bearbeitungsstand 13.03.2024). Der Gesetzgebungsprozess startet nun. Geplant ist, dass das Gesetz Anfang 2025 in Kraft tritt.
Das KHVVG ist als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz ausgestaltet. Die Punkte, die den Zuständigkeitsbereich der Länder betreffen, werden in Rechtsverordnungen geregelt, welche wiederum zustimmungspflichtig sind. Die Krankenhausplanung ist aber grundsätzlich Sache der Länder. Sollte das KHVVG unzulässig in die Länderkompetenzen eingreifen, wäre das Gesetz verfassungswidrig. Konflikte sind zu erwarten: Im Auftrag der Länder Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg erstellte Herr Prof. Dr. Wollenschläger ein Gutachten, dass u.a. den Eingriff in die Planungshoheit der Länder beschreibt und kritisch bewertet. Bayern hat schon eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt, sollte das KHVVG in der vorgeschlagenen Form, umgesetzt werden.
B. Ziele der Krankenhausreform:
Ausgangspunkt des Regierungsentwurfs ist das „Eckpunktepapier: Krankenhausreform“, auf das sich Bund und Länder am 10.07.2023 einigten. Dieses enthält drei zentrale Ziele, die der Regierungsentwurf umsetzen will:
- Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität,
- Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung,
- Entbürokratisierung
I. Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität
1. Vorhaltevergütung
Der Regierungsentwurf ist von der Überzeugung getragen, dass das derzeitige DRG-Vergütungssystem den Fehlanreiz setze, möglichst viele Patienten mit als lukrativ bewerteten Behandlungen zu versorgen. Kosten für das Vorhalten von Behandlungskapazitäten für Leistungen, die grundsätzlich von Patienten weniger in Anspruch genommen werden, seien nicht hinreichend finanziert. Die identifizierte Problematik soll durch eine weitere Finanzierungssäule lösen. Innerhalb der Betriebskostenfinanzierung wird neben der schon bestehenden DRG-Fallpauschalenvergütung und den Pflegeentgelten eine dritte, leistungsunabhängige Säule hinzukommen, die sog. Vorhaltevergütung. Mittels der Vorhaltevergütung werden die Kosten für die Vorhaltung von bestimmten Strukturen und Leistungsangeboten unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung finanziert. Die dafür notwendigen Mittel, werden aus den bisherigen DRG-Fallpauschalen ausgegliedert und die DRG-Fallpauschalen entsprechend abgesenkt. Künftig sollen 60% der Betriebskosten über die Vorhaltevergütung finanziert werden. Gem. dem Entwurf ist Höhe der Vorhaltevergütung abhängig von dem zugewiesenen Leistungsspektrum.
2. Leistungsgruppen
Die Zuweisung des Versorgungsauftrags der Krankenhäuser erfolgt anhand von Leistungsgruppen, die nach Vorstellung der Entwurfsverfasser für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gewährleisten (§ 6a KHG n.F.).
Der Versorgungsauftrag wird weiterhin durch die Landeskrankenhausplanungsbehörden bestimmt. Die Zuweisung hat aber anhand vom Bund vorgegebener Leistungsgruppen, insgesamt 65 Leistungsgruppen an der Zahl, zu erfolgen. Verknüpft werden die jeweiligen Leistungsgruppen mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien (insbesondere zur Vorhaltung anderer Leistungsgruppen, Anforderung an technische und personelle Ausstattung), die Krankenhäuser erfüllen müssen (§ 135e SGB V n.F.).
Gem. der Entwurfsfassung erarbeiten und verantworten Bund und Länder gemeinsam die Festlegung und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien, die durch zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung festgelegt werden sollen.
Neben den Mindestanforderungen an die Qualität (§ 135e SGB V n.F.) muss das Krankenhaus ebenfalls die Mindestvorhaltezahl der ihm zugewiesenen Leistungsgruppe erfüllen. Diese Vorgabe war im Eckpunktepapier noch nicht enthalten. Mindestvorhaltezahlen sind eine Mindestzahl an vom Krankenhausstandort erbrachten Behandlungsfällen (§ 135f SGB V n.F.). Diese werden auf Basis von Empfehlungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sowie des InEK durch eine zustimmungspflichtige Rechtsverordnung festgelegt.
Nur, wenn sowohl Qualitätskriterien als auch die Mindestvorhaltezahlen von einem Krankenhaus im Rahmen der Leistungsgruppe erfüllt werden, kann die Zahlung der o.g. Vorhaltevergütung beansprucht werden. Sonderregelungen bestehen, wenn andernfalls die flächendeckende Versorgung gefährdet ist (§ 135f Abs.4 SGB V n.F.).
3. Erreichbarkeit einer medizinischen Behandlung in maximal 40 Fahrminuten, § 135f Abs. 4 SGB V n.F.
Unabhängig von der Erfüllung von Mindestvorhaltezahlen haben Krankenhäuser ein Anspruch § 135f Abs. 4 SGB V n.F. auf Zahlung der Vorhaltevergütung, wenn die Vorhaltung der Leistungsgruppe nach Einschätzung der zuständigen Planungsbehörde zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich ist. Maßgeblich ist somit, ob ein anderes Krankenhaus, dem die jeweilige Leistungsgruppe zugewiesen worden ist, innerhalb der vorgesehenen PKW-Fahrtzeitminuten von maximal 40 Minuten erreichbar ist. Krankenhausstandorte mit zugewiesenen Leistungsgruppen für Allgemeine Inneren Medizin und Allgemeine Chirurgie sollen höchstens 30 Minuten entfernt sein.
4. Finanzierung – Transformationsfonds
Finanziert wird die Umstrukturierung der Krankenhäuser durch einen Transformationsfonds, aus welchem die Länder ab dem Jahr 2026 unterstützt werden können. Der Plan ist, ab dem Jahr 2026 bis zum Jahr 2035 ein Finanzvolumen von bis zu insgesamt 50 Mrd. Euro bereitzustellen, wobei die Mittel hälftig sowohl durch die Länder als auch aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) aufzubringen sind. Letzterer wird insbesondere aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur GKV sowie einem Bundeszuschuss finanziert.
Zusätzliche finanzielle Mittel werden im Übrigen ab dem Jahr 2027 für die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin sowie für die Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung zur Verfügung gestellt.
II. Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung und Entbürokratisierung
1. Sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen, § 115g SGB V n.F.
Die sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgungsangebote werden ausgebaut. Instrumente sind u.a. die Schaffung von sog. „sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen“. Das sind Krankenhäuser, die wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden (§ 115g SGB V n.F.). Aufgabe soll die Sicherung einer wohnortnahen medizinischen Versorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen sein. Idee ist, dass sich diese Einrichtungen aus der Umwandlung bisheriger Krankenhäuser entwickeln und eine Brücke zwischen der ambulanten und stationären Versorgung bilden.
Die Zuweisung des speziellen Versorgungsauftrags erfolgt durch das neue Rechtsinstitut der „Bestimmung“, die den Planungsbehörden der Länder obliegt. Sektorübergreifenden Versorgern i.S.v. § 115g SGB V wird die Möglichkeit eröffnet, über die stationären Leistungen hinaus weitere im Katalog nach § 115g Absatz 2 SGB V n.F. aufgeführte Leistungen zu erbringen. Das sind:
• Ambulante Leistungen aufgrund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung,
• Ambulantes Operieren nach § 115b,
• Medizinisch-pflegerische Versorgung nach § 115h,
• Belegärztliche Leistungen, soweit vom Versorgungsauftrag des Landes erfasst,
• Übergangspflege nach § 39e,
• Kurzzeitpflege nach § 39c.
2. Medizinisch-pflegerische Versorgung, § 115h SGB V n.F.
Eine weitere Neuerung stellt die medizinisch-pflegerische Versorgung durch sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen dar (§ 115h SGB V n.F.). Die Regelung ist von der Vorstellung getragen, dass eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten stationärer pflegerischer Begleitung, aber – im Vergleich zur bisher üblichen stationären Krankenhausversorgung – nur ein geringeres Maß an ärztlicher Versorgung bedarf. Die Regelung soll die wohnortnahe Behandlung sichern und Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen entlasten.
3. Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser, § 116a SGB V n.F.
§ 116a SGB V n.F. baut die bisherige Ermächtigungsmöglichkeit von Krankenhäusern aus und öffnet bei entsprechendem Bedarf auch die sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen i.S.v. § 115g SGB V für vertragsärztliche Leistungen, einschließlich der hausärztlichen Versorgung (§ 116a Abs. 2 und Abs. 3 SGB V n.F.). Damit wird das Ziel verfolgt, mittels der Einbindung der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen bei vertragsärztlicher Unterversorgung dauerhaft ein verlässliches allgemeinmedizinisches Versorgungsangebot aufzubauen.
III. Reform Abrechnungsprüfung
Unter der Überschrift „Entbürokratisierung“ ist die Änderung des bisherigen § 17c KHG auch Teil der Reform. Ab dem 01.01.2027 soll die bisherige Einzelfallprüfung durch eine Stichprobenprüfung ersetzt werden. Die Änderung des Prüfverfahrens bezweckt die Reduktion des Prüfaufwands bei allen Beteiligten. Die Prüfungen werden weiterhin durch die MD im Auftrag der Krankenkassen durchgeführt.
Der MD Bund soll bis zum 28. Februar 2026 ein Konzept für eine Stichprobenprüfung entwickeln und dieses dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vorlegen. Auf der Grundlage dieses Konzepts schließen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die DKG bis zum 30. Juni 2026 eine Vereinbarung zur Stichprobenprüfung. Gelingt das nicht, legt die Schiedsstelle nach § 18a KHG den Inhalt der Vereinbarung innerhalb von 6 Wochen fest.
Die bislang in §§ 275a und 275d SGB V normieren Qualitätskontrollen und Prüfungen von Strukturmerkmalen der Krankenhäuser (Strukturprüfung) werden in den neuen § 275a SGB V n.F. integriert.
IV. Zeitplan
Für den 28.06.2024 ist die erste Lesung im Bundestag geplant. 28. Juni 2024 befasst sich der Bundesrat mit dem Entwurf. Ein erneuter Kabinettsbeschluss nebst Gegenäußerung soll im Laufe des Juli 2024 vorliegen, sodass die Anhörung im Bundesrat im September 2024 und am 18.10.2024 die 2. und 3. Lesung im Bundestag erfolgen. Ende November befasst sich erneut der Bundesrat mit dem Gesetz. So jedenfalls der ehrgeizige Plan.
Sarah Mojsilov, Dr. Christian Reuther, Dr. Thomas Bohle